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07.07.2523

Heute ist wohl mal wieder mein Geburtstag, Leute. Seitdem ich mein Zelt im Gerippe des verlassenen Hotels Maritim aufgeschlagen habe, bin ich das erste Mal seit wer weiß wie langer Zeit schon überversorgt. Allerdings hängt es mir nun auch langsam zum Hals raus, ständig nur Tauben- und Katzenfleisch mit Wildkräutern zu fressen. Aber was will man machen.

Die Viecher haben hier oben zu einer ganz erstaunlichen Form der Symbiose zusammengefunden. Die Stadttauben haben ihren vor Jahrhunderten von Menschen angezüchteten Bruttrieb nie verloren, der sie bei Stress und Hunger ganz besonders viele Nachkommen hervorbringen lässt, und die Katzen verloren ihren Jagdtrieb nicht und verfolgten Sie bis in die Höhe des Dachstuhls, wo beide Parteien, sich gegenseitig argwöhnisch beäugend, miteinander leben. Vor manch einer der Katzen muss man sich acht nehmen. Sie sind hinterhältig und bösartig. Sie testen aus, ob man schwach ist.

Heute werde ich jedoch versuchen, eine Ente oder eine Gans zu erlegen. Etwas Abwechslung im Gaumenbereich. Wurftraining mit dem Speer machen. Der Revolver ist auch immer dabei. Monatelang keinen Menschen gesehen, aber man weiß ja nie.

Schon wieder ein kaputte Filterkartusche für den Wasserfilter. Drei habe ich noch. Ich brauche eine Alternative.

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Der Tag ist gelungen. Ich habe eine fette Gans erwischt. Mit dem Speer. Etwa 12-15 Meter. Die hat echt blöd geguckt, als sie es geschnallt hat, dass es vorbei ist. Hab sie mir gerade über die Schulter geworfen, da lugt mich doch aus dem Gebüsch so ein alter Einkaufswagen an. Ihr wisst schon, diese Dinger, die hier früher überall herumstanden. Meistens sind sie verrostet und angegammelt, aber der hier war vollstens intakt. Ich habe direkt angefangen, ihn mit randvoll mit Leseholz zu packen. Das wird mein Anzündmaterial für Wochen und mit dem Einkaufswagen kann ich jetzt auch wieder größere Mengen Feuerholz ins Hotel karren.

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Die Gans ist teilweise gegessen. Einen Teil werfe ich den Katzen hin. Heute ist ein Tag, an dem ich mir eine Flasche Wein auf dem Dach gönnen werde. Woher ich die habe, wollt ihr wissen? Mein Geheimnis. Aber soviel sei gesagt, wo die her ist, gibt’s noch mehrere.

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Ich sitze auf dem Dach und lese „Unfug des Lebens und des Sterbens“ von Prentice Mulford. Bestimmt schon zum hundertsten Mal. Ist das einzige Buch, das ich noch besitze. Ein verwandter Geist. Immer wieder schön von ihm zu hören. Immer wieder schön hier zu sitzen, dem Wind und den Tieren zu lauschen.

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Leute, ihr glaubt es nicht. Jemand hat den umgestürzten Herkules hinterm Kanal in Brand gesetzt! Ein riesiges Feuer, der Himmel ist so wunderschön erleuchtet, wie ich es noch nie gesehen habe. Irgendwie gibt mir das gerade Hoffnung. Irgendwas sagt mir, es könnte mit der Zivilisation nochmal klappen. Natürlich ist es mit Gefahr verbunden, aber ich glaube, der Revolver und ich gehen die Tage mal nach Nordwesten. Heute werde ich gut schlafen.

Gute Nacht!


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